Einladung zu deinem Naturgang
In vielen naturverbundenen Kulturen ist es selbstverständlich (und war es auch hier in Mitteleuropa), regelmäßig Zeit alleine in der Natur zu verbringen – nicht nur, um Antworten auf wichtige Fragen zu finden, sondern auch, um dir selbst zu begegnen.
Oft zieht es uns intuitiv in die Natur, um “den Kopf frei zu kriegen und dabei begreifen wir unsere Umgebung meist eher als Kulisse, die uns hilft unsere Gedanken zu sortieren.
Wenn wir in diesen Momenten etwas weniger mit unseren Gedanken beschäftigt und mehr im Spüren wären, dann würden wir z.B. den Wald als das begreifen was er ist: ein atmender Organismus, ein Netz aus Leben, voller fühlender Wesen und Geschichten, die nur darauf warten von uns erlauscht zu werden. Unsere Lebensweise und unser auf Trennung trainierter Verstand suggerieren uns dabei leider oft, dass wir nicht Teil dieses großen Ganzen sind, das wir oft als “Natur” bezeichnen.
Wenn es dir aber gelingt, durch diesen Irrglauben hindurchzuschauen öffnet sich ein Raum, in dem du mit allem in Kontakt treten kannst – mit der Natur, mit den Wesen um dich herum und letztlich auch mit der Natur in dir selbst. Und dann wird es auch völlig plausibel, dass du Antworten auf dir wichtige Fragen nicht nur in dir, sondern auch in deinem “Außen” findest, denn auch du bist Teil dieser Natur, die dich umgibt.
Der Naturgang ist also eine Einladung mit deinen Fragen in die Natur zu gehen und mutig die Täler und Berge deines Herzens zu durchschreiten. Du lässt bewusst die gewohnte Welt und die menschliche Gemeinschaft hinter dir und übertrittst eine Schwelle in eine andere Wirklichkeit – weg vom Verstand, hinein ins Fühlen mit all deinen Sinnen.
Diese Zeit ist heilig. Alles kann geschehen, wenn du nur dem folgst was draußen und in dir selbst lebendig ist.
Vorbereitung auf deinen Naturgang
Nimm dir mindestens 2-3h Zeit und pack nur das Nötigste ein: wetterfeste Kleidung, etwas Wasser und eine Sitzunterlage. Alles, was dich ablenken könnte – Handy, Bücher oder Pläne – lässt du lieber zu Hause.
Du beginnst deinen Naturgang mit einer klaren Intention und einer Frage. Diese Frage muss nicht kompliziert sein, sie darf aus deinem Herzen kommen, etwa: „Was brauche ich gerade wirklich?“ oder „Wohin führt mich mein nächster Schritt?“ (weitere Fragen und Impulse teilen wir regelmäßig in unserem Newsletter)
Das Ritual der Schwelle
Bevor du dich auf den Weg machst, gestaltest du eine Schwelle. Das kann ein einfacher Kreis aus Steinen sein, eine Linie aus Zweigen oder ein kleines Arrangement aus Moos, Blättern oder anderen Materialien, die du vor Ort findest.
Die Schwelle markiert den Übergang: Du trittst aus der Welt deines Alltags hinaus und betrittst eine Welt voller Möglichkeiten.
Nimm dir einen Moment, um vor deiner Schwelle innezuhalten. Atme tief ein und aus, denke an deine Frage oder Intention und mache dir bewusst, dass du jetzt in einen Raum eintrittst, in dem dein Verstand Pause hat und dein Herz die Führung übernimmt.
Wenn du bereit bist, überschreitest du die Schwelle und lässt all deine Zweifel los. Du hörst auf zu planen oder nach Antworten zu suchen. Stattdessen lässt du dich treiben und bist einfach da, in dem Moment, der sich gerade in dir entfaltet.
Dein Weg durch den Wald
Sobald du du über die Schwelle getreten bist, dann gibt es keinen richtigen oder falschen Weg. Es geht nicht darum, etwas „zu erreichen“, sondern darum, mit allem zu interagieren, was dir begegnet: lass dich einfach treiben – von deinen inneren Impulsen, deiner Neugier, den äußeren Impulsen, von den Geräuschen, von einem Baum, der dich ruft. Mach was auch immer dir gerade in den Sinn kommt und nimm den Wald als Ort der unbegrenzten Möglichkeiten wahr.
Dabei bist du eingeladen, die Dinge anders als gewöhnlich zu tun und alle Möglichkeiten deiner Wahrnehmung und Beweglichkeit auszuschöpfen. Sprich laut mit den Naturwesen, die dir begegnen, erzähle ihnen, wer du bist, was dich bewegt, und lausche auf ihre Antworten.
Vielleicht kommst du dir dabei ziemlich komisch vor mit einem Insekt oder einer Pflanze zu sprechen und du schaust dich dabei verschämt um, damit dich dabei auch ja niemand beobachtet. Warum eigentlich? Viele von uns empfinden es als völlig “normal” mit unserem Haustieren zu sprechen und zu interagieren.
Auf einem Waldgang wirst du also auch deiner kulturellen Prägung begegnen – das lässt sich nicht vermeiden. Doch du entscheidest, ob du dich an diese Begrenzungen hältst oder sie hinter der Schwelle zurücklässt.
Es kann auch durchaus sein, dass bei all der Absichtslosigkeit so etwas wie Langeweile aufkommt. Wir sind es nicht mehr gewohnt einfach ziellos unseren Impulsen zu folgen. Nimm diese Langeweile als ermutigendes Zeichen wahr. Dein Gehirn reagiert nach kurzer Zeit darauf und wechselt in einen besonders kreativen und empfänglichen Modus.
Während du deinen Weg gehst, nimmst du einfach wahr, was in dir geschieht: Gefühle, Themen, Gedanken oder Muster, die sich zeigen. Alles darf sein. Wenn du traurig bist, lasse deine Tränen fließen. Wenn du wütend bist, dann gib diese Energie in den Wald hinein und schaue was passiert. Wenn du tanzen willst, tanze. Du kannst in ein Tierwesen schlüpfen und versuchen mit dessen Sinnen in die Welt zu blicken. Alles, was in dir lebt, ist willkommen. Noch einmal: es gibt kein “richtig” oder “falsch”.
Hinweise und Symbole
Wenn du mit offenen Herzen unterwegs bist, dann wirst du schnell merken wie sehr unsere Umwelt jederzeit zu uns spricht, wenn wir uns dafür empfänglich machen. Vielleicht erhältst du unterwegs symbolische Hinweise, durch den Gesang eines Vogel, während dir ein bestimmter Gedanke durch den Kopf geht. Ein entwurzelter Baum könnte dir zeigen, wie entwurzelt du dich selbst manchmal fühlst. Ein spielendes Eichhörnchen könnte dich daran erinnern, wie sehr du dir Leichtigkeit und Freude wünschst.
Doch jenseits der Symbole bist du eingeladen, in Resonanz mit den Wesen zu gehen. Verweile bei einem Baum, spüre seine Lebendigkeit, lasse dich auf die Energie des Ortes ein.
Alles gehört dazu
Auf deinem Weg gibt es keine Trennung. Alles, was dir begegnet – der Lärm der Stadt in der Ferne, die Gedanken an deine Arbeit, dein schwerer Rucksack – ist Teil des heiligen Raums. Heilig kommt von “heil” und “ganz”, und “ganz” bedeutet, dass alles, was da ist, dazugehört. Und zu unserer Lebensweise gehören eben auch unsere menschlichen Einflüsse und Hinterlassenschaften. Du musst also für deinen Schwellengang keine “unberührte Wildnis” suchen, der örtliche Stadtwald oder der nächste Forst ist genau richtig für deine Erfahrung.
Die Rückkehr
Wenn du deine Reise beendest, kehrst du zurück zu deiner Schwelle und überschreitest sie in umgekehrter Richtung. Bedanke dich innerlich – bei der Natur, bei dir selbst, bei allem, was dir begegnet ist.
Danach kommt ein weiterer wichtiger Teil: du teilst du deine Erfahrungen mit einer vertrauten Person, die dir mit offenem Herzen zuhört, oder in einem Kreis, in dem du gehört wirst. Es ist wichtig, dass du deine Geschichte teilst, um sie dadurch noch mehr in deine soziale Wirklichkeit zu holen.
Dabei geht es nicht um Interpretationen oder Analysen. Es geht darum, zu erzählen, was du erlebt hast, und in den Geschichten Resonanz zu finden – für dich und für die anderen. Die andere Person sollte einfach mit offenem Herzen zuhören und darf gerne teilen was sie an deiner Geschichte berührt hat.
Es gibt noch weitere spannende Möglichkeiten mit deinen Erlebnissen und deiner Geschichte zu arbeiten. Diese erfährst in meinen Angeboten zur “naturzyklischen Prozessbegleitung”.